Blog: Wie kann die urbane Mobilität der Zukunft aussehen?

 

„Am wichtigsten ist es, Motivation mitzubringen und eine klare Vision davon zu entwickeln, was Sie für Ihre Stadt im Allgemeinen und für die Mobilität im Besonderen erreichen wollen. Sie müssen klare Entscheidungen treffen. Glauben Sie nicht, dass Sie Ihre Stadt verändern werden, wenn Sie mehr oder weniger das Gleiche wie immer tun.“
Wim Schuddinck, Mobilitätsexperte der Stadt Gent

Städte in allen Teilen der Welt sehen sich im Bereich der Mobilität großen Herausforderungen gegenüber. Klar ist, dass neue, innovative Lösungen gesucht werden müssen, um einer ganzen Reihe von stetig größer werdenden Herausforderungen zu begegnen: Verkehrsdichte, Flächenverbrauch, Luftverschmutzung, Lärm, Innenstadtentwicklung, Letzte-Meile-Logistik u.v.m. Einfach so weiterzumachen wie bisher ist keine Option. Das verdeutlicht auch das oben angeführte Zitat. Es stammt von Wim Schuddinck, Mobilitätsexperte der belgischen Stadt Gent. Er war am 29. September 2021 beim Open Innovation City Roundtable zum Thema Mobilität zu Gast und gab uns ebenfalls für das gerade erschienene Impulspapier Mobilität ein Interview.

Gent (ca. 250.000 Einwohner:innen) gilt als eine der führenden Städte im Bereich Mobilität in Europa. Das ist besonders auf den Mobilitätsplan der Stadt aus dem Jahr 2017 zurückzuführen. Im Rahmen dieses Plans wurde die Größe der Fußgängerzone im Stadtzentrum verdoppelt. Im Interview mit uns hob Wim Schuddinck hervor, was in Gent und anderen Städten bei der Ausweitung eines autofreien Bereichs beachtet werden muss, z.B. müssen Lösungen fürs Parken sowie für die Anlieferung gefunden und älteren Menschen muss die Fortbewegung innerhalb des Bereiches ermöglicht werden (Gent hat dafür einen sog. Wanderbus eingeführt).

Eine zentrale Frage lautet darüber hinaus: Wie wird der Verkehr um einen autofreien Bereich herum organisiert? Gents Antwort auf diese Frage ist ein schleifenförmiges Erschließungssystem (ein ähnliches System hat in Deutschland die Stadt Nürnberg eingeführt, die ebenfalls im Mobilitätspapier beschrieben wird). Das bedeutet, dass der Bereich um die autofreie Zone herum in sechs Sektoren eingeteilt ist, die jeweils mit dem Auto erreichbar sind. Zwischen den Sektoren ist allerdings keine Durchfahrt möglich. Um von einem Sektor in den nächsten zu gelangen, muss die städtische Ringstraße genutzt werden.

Die Mobilitätsmaßnahmen in Gent waren erfolgreich. Der Modalsplit konnte in Richtung Radverkehr und ÖPNV verschoben werden und die Luftqualität verbesserte sich merklich. Trotz teils kontroverser Debatten sind die Maßnahmen beliebt beim Großteil der Stadtbevölkerung. Dazu noch mal Wim Schuddinck: „Es gibt immer einige Aspekte, die man nach der Evaluierung ändern muss, weil nicht alles so funktioniert, wie es geplant war. Aber alles in allem können wir nach zwei großen Evaluationen in Gent wirklich sagen, dass unser Mobilitätsplan in den Augen der Menschen ein Erfolg war.“ Anknüpfend an den bisherigen Erfolg macht die Stadt sich nun daran, neue Mobilitätskonzepte für sieben Wohnviertel der Stadt zu entwerfen. Die Basis für die Konzeptentwicklung bildet eine starke Einbindung der Anwohner:innen.

Gent stellt eines von vielen Beispielen dar, wie Städte mit ganz verschiedener Größe, Geschichte und Geographie versuchen, das komplexe Thema der Mobilität neu zu denken. Weitere städtische Beispiele sowie Hintergrundinformationen und Expert:innenstimmen finden sich im Open Innovation City Impulspapier „Die urbane Mobilität der Zukunft: Verkehrsberuhigung in der Innenstadt“.

Das Impulspapier Mobilität kann hier heruntergeladen werden.

Dr. Mirko Petersen

Team Wissenschaft

Nach oben